Zwei Tage später herrschte Krieg in den beiden Städten im Südosten der Türkei, die mehrheitlich von Kurden bewohnt werden. Der Konflikt um die Rechte der Kurden in der Türkei, der bereits in den neunziger Jahren zehntausende Todesopfer gefordert und hunderttausende Menschen zu Vertriebenen im eigenen Land gemacht hatte, war mit voller Wucht neu entbrannt.
Kurzmitteilung des Bildungsministeriums
Lehrer an öffentlichen Schulen der Türkei sind Beamte der Zentralregierung und werden oft fern ihrer Heimat eingesetzt. Die Nachricht des Bildungsministeriums löste bei vielen Lehrkräften in Cizre (Schule in Cizre, siehe Bild (Anm.: Redaktion) und Silopi Panik aus. Hunderte packten in aller Eile ihre Koffer und verließen fluchtartig die beiden Städte. Reisebusse aus Cizre und Silopi waren komplett ausgebucht. Einige Lehrer, die keine Busfahrkarte mehr erhalten hatten, versuchten sogar per Autostop wegzukommen. Den Lehrern war nicht entgangen, dass in den Tagen zuvor ein massives Aufgebot an Armee- und Polizeikräften mit Panzern und schweren Waffen in die Region verlegt worden war und eine gewaltsame Auseinandersetzung drohte.
Intifada kurdischer Jugendlicher
Seit die islamistische AKP-Regierung im Juli 2015 nach einem mehrjährigen Friedensprozess den Waffenstillstand mit der weiterhin verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK aufgekündigt hat, dreht sich die Spirale der Gewalt im Südosten der Türkei immer schneller. Von einer Intifada kurdischer Jugendlicher ohne Arbeit und Perspektive, die in den Städten Barrikaden bauen und Gräben ausheben, um sich so vor den türkischen Sicherheitskräften zu schützen, berichtete die FAZ. In der Mehrzahl handelt es sich dabei um Kinder von in den neunziger Jahren in großer Zahl in die Städte geflohenen Kurden, deren Dörfer von der türkischen Armee im Kampf gegen die PKK zerstört worden waren. Die Einwohnerzahl von Cizre wuchs seitdem von ehemals 40.000 auf heute etwa 250.000 Einwohner an.
Zahlreiche Tote und Verletzte
Mit Ausgangssperren und Massenverhaftungen versucht die türkische Regierung dem Widerstand in den Kurdenregionen zu begegnen. Mehr als 3.000 Personen, darunter gewählte Bürgermeister und Gewerkschaftsvertreter, wurden bisher verhaftet. Die Bevölkerung in den betroffenen Städten darf während der Ausgangssperren ihre Wohnungen nicht verlassen und muss teilweise wochenlang ohne Strom, Wasser und Nahrung ausharren, während Polizei- und Spezialkräfte systematisch die Häuser nach Verdächtigen durchsuchen und dabei nicht zimperlich vorgehen. Nach Angaben der türkischen Regierung, die angekündigt hat, die PKK diesmal auslöschen zu wollen, wurden bei Razzien in den verschiedenen Städten mehrere hundert Aufständische getötet. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch kritisierte die Gewalt der türkischen Sicherheitskräfte als unverhältnismäßig und beklagte, dass unter den Toten und Verletzten auch zahlreiche zivile Opfer zu finden seien.