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»Nicht mehr unbeschwert im Unterricht«

SozialpädagogInnen an Bremer Schulen haben die unterschiedlichsten Arbeitgeber: Schulvereine, verschiedene Träger wie das Deutsche Rote Kreuz oder das Institut für Berufs- und Sozialpädagogik, einige sind auch bei der Bildungsbehörde angestellt. Die meisten von ihnen müssen wiederholt mit befristeten Verträgen leben und arbeiten. Diese ungünstigen und unsicheren Rahmenbedingungen sind an vielen Schulen zuletzt noch ungünstiger geworden. Fehlende Drittmittel haben zu Stellenreduzierungen geführt, Vakanzen durch Elternzeit wurden und werden nicht neu besetzt. Das ärgert auch Elke Koch, Lehrerin an der Allgemeinen Berufsschule (ABS). Ihre Arbeit in Sprachund Berufspraktikantenklassen ist zuletzt deutlich schwieriger geworden. Im Interview mit der BLZ schildert sie die belastende Situation.

Frage: An der ABS steigen die Schülerzahlen stark an, viele unbegleitete minderjährige Flüchtlinge kommen an ihre Schule, die aber von deutlich weniger SozialpädagogInnen betreut werden. Mehr als sechs Stellen sind in den vergangenen drei Jahren weggefallen. Was sind die Folgen?

Elke Koch: Das Problem ist Mehrarbeit. Dadurch entsteht ein immer größerer Zeitmangel. Eigentlich soll und will ich hauptsächlich unterrichten, aber ohne ausreichende sozialpädagogische Betreuung, habe ich in ganz anderen Bereichen zu tun, weil mir die Schülerinnen und Schüler am Herzen liegen und Hilfe brauchen, oft existenzielle Hilfe. Natürlich begleite ich meine Schülerin aus Syrien mit geringen Deutschkenntnissen beim Gang zum Jobcenter, um finanzielle Fragen und Probleme mit ihrem Aufenthaltstitel klären zu helfen. Das hat mehr als drei Stunden gedauert, aber es war notwendig, die Schülerin wusste nicht mehr ein oder aus. Daneben ist es auch schwierig und auf Dauer emotional belastend, neben dem Unterricht auch ständig an die sozialpädagogischen Probleme denken zu müssen und zwischen beiden Bereichen zu springen.

Frage: Was könnte die derzeitige Situation an der ABS entschärfen?

Elke Koch: Wir brauchen dringend personelle Entlastung, um unseren eigentlichen Job wieder gut und motiviert machen zu können. Das Verhältnis von einem Sozialpädagogen für drei Klassen – wie an den Werkschulen – muss es schon sein. wir brauchen eine Entlastung, die uns mindestens wieder auf das Level im Jahr 2012 bringt. Da hatten unsere Jugendlichen in den Praktikumsklassen noch Unterstützung und Begleitung, um zum Beispiel den Kontakt zu den Betrieben herzustellen, sie bekamen von den Klassenteams noch ausreichende Bewerbungshilfe. Das machen ich und meine KollegInnen jetzt während des Unterrichts, davor und vorallem danach. Gerade unsere Schülerinnen und Schüler brauchen auch außerhalb der Schule bei ihren Praktika Erfolgserlebnisse, um überhaupt eine Chance auf dem Ausbildungsmarkt zu haben. In den vergangenen Jahren konnten sich unsere Jugendlichen noch deutlich öfter über Ausbildungsplätze freuen. Die Vermittlungsquote hat abgenommen.

Frage: Die Bildungsbehörde hat zugesagt, ab Juni eine neue sozialpädagogische Stelle an der ABS zu finanzieren…

Elke Koch: … Das ist leider nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Es kommt jemand, der oder die sich einarbeiten muss, viele Eingearbeitete mussten in den vergangenen drei Jahren gehen, weil Drittmittel ausliefen, obwohl die Schülerzahlen zuletzt stark angestiegen sind. Deshalb mussten wir – zusammen mit dem Zentrum für Schule und Beruf (zsb), dem Kooperationspartner der ABS, – bis Ostern und jetzt bis zu den Sommerferien mehrere Notfallpläne organisieren, um die noch vorhandene sozialpädagogische Kompetenz irgendwie zu verteilen. Erschwerend kommt hinzu, dass an unserer Schule ganzjährig eingeschult wird. Vor allem Vorklassen mit neuen Flüchtlingen sollen umgehend eingerichtet werden. Und die häufig unbegleiteten Minderjährigen, die dazu oft traumatisiert sind, müssen schnell beschult, und intensiv betreut werden. Da entstehen für die Klassenteams nicht selten nahezu unlösbare Probleme.

Frage: Da ist es sicherlich nicht einfach, die Ansprüche an die eigene Arbeit aufrechtzuerhalten?

Elke Koch: Ja, das ist kaum möglich. Immerhin gibt es jetzt an unserer Schule die Möglichkeit, an einer Supervision teilzunehmen, um traumatisierten Jugendlichen besser helfen zu können. Die Finanzierung dafür steht. Mich persönlich hat eine Unterrichtssituation kurz nach den Osterferien stark mitgenommen, als eine Schülerin aus Afrika plötzlich zusammengebrochen und kollabiert ist. Die Klasse beruhigen, den Krankenwagen rufen, eine Vertretung organisieren, den Notarzt über die Hintergründe informieren – das hat mich emotional stark gefordert, trotz meiner langjährigen Erfahrung als Lehrerin. Unbeschwert in den nächsten Unterricht – das ging eine Zeit lang nicht mehr.

 

Die Fragen stellte Karsten Krüger

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Karsten Krüger
Schriftleiter des Bildungsmagaz!ns
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