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Neues aus dem Rechtsschutz | Aktuelle rechtliche Gesichtspunkte zum Beamtenstreik

Mehr erreicht, als gedacht |

Die juristische Auseinandersetzung geht hierüber nunmehr in die letzten Runden. Das Bundesverfassungsgericht hat mitgeteilt, dass es die mündliche Verhandlung zu diesem Themenkomplex im Frühjahr 2017 durchführen will. Eine Entscheidung des höchsten deutschen Gerichts ist damit für Sommer 2017 zu erwarten. Wir wissen natürlich nicht, wie das Urteil lauten wird, sollten uns aber bereits jetzt mit den damit zusammenhängenden Fragen beschäftigen, da eins bereits jetzt klar ist: Bei der derzeitigen Ausgestaltung des Berufsbeamtentums wird es in Bezug auf (kollektive) demokratische Teilhaberechte nicht bleiben.

Unvereinbar mit Europarecht

Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.2.2014  wurde an dieser Stelle bereits ausführlich besprochen. Zur Erinnerung verweise ich hier auf den vierten Leitsatz des Gerichts:

"Das statusbezogene Verbot nach Art. 33 Abs.5 GG und die funktionsbezogenen Gewährleistungen nach Art.11 der Europäischen Menschenrechtskonvention sind in Bezug auf Beamte, die außerhalb der genuinen Hoheitsverwaltung eingesetzt sind, inhaltlich miteinander unvereinbar. Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, diese Kollisionslage aufzulösen und im Wege der praktischen Konkordanz einen Ausgleich herbeizuführen.“

Als Lösungsmöglichkeit bietet das Bundesverwaltungsgericht die Ausweitung von Beteiligungsrechten der Gewerkschaften im Rahmen eines Verhandlungsmodells und/oder ein Verhandlung- und Schlichtungsmodell unter paritätischer Beteiligung der Gewerkschaften im Sinne des „Dritten Weges“ an. Auch sollten konkrete Kollektivmaßnahmen etwa bei Besoldungsfragen nicht gänzlich ausgeschlossen bleiben.

Zwar begrüßen wir die erstmalige Feststellung einer „Kollisionslage“ durch das höchste deutsche Verwaltungsgericht, die aufgehoben werden muss, weil sich die in Deutschland verfestigte Rechtsprechung zum Beamtenstreik nicht mehr mit den europarechtlichen Vorgaben vereinbaren lässt.

Keine Waffengleichheit

Wir verfolgen aber einen grundsätzlich anderen Lösungsansatz: Die Erweiterung von Beteiligungsrechten führt nicht zu der von uns angestrebten Waffengleichheit zwischen Gewerkschaften und Dienstherren. Und auch die vom Bundesarbeitsgericht entwickelte paritätische Beteiligung der Gewerkschaften bei kirchlichen Arbeitgebern stellt keinen Ersatz für das Streikrecht dar. Letztlich sind wir auch gegen eine  Lösung der Problemlage per Gesetz, da der Gesetzgeber die Gelegenheit ergreifen könnte, das Arbeitskampfrecht insgesamt zu kodifizieren. Bisher ist dies reines Richterrecht und wir sind deshalb dafür, dass dies so bleibt, weil einflussreiche Politiker der Rechten wie meinungsgleiche Juristen derzeit wieder vermehrt für eine solche Lösung plädieren, um auch das Streikrecht der Angestellten in einem Zuge mit einzuschränken.

Demgegenüber sehen wir verfassungsrechtliche Möglichkeiten, zwischen hoheitlichen und nicht hoheitlichen Tätigkeiten im Beamtenrecht zu unterscheiden mit dem Ziel, insbesondere für Lehrkräfte eine dritte Art von Beschäftigtenstatus im Sinne eines Funktionsbeamten zu schaffen. Dieser bliebe im Alimentationsprinzip verankert, böte aber die Möglichkeit über diesen „unantastbaren Kern“ hinausgehende Forderungen, etwa mit dem Ziel der Übertragung der Ergebnisse der Tarifverträge im öffentlichen Dienst kampfweise durchzusetzen. Gleiches gelte für den Einfluss auf die Gestaltung der Arbeitsbedingungen, so dass Themen wie Erhöhung der Pflichtstunden, Stundenreduzierung im Alter, Gesundheitsschutz, insbesondere Schutz vor psychischen Belastungen zu Regelungskomplexen würden, die für die entsprechenden Beamt_innen einer tariflichen Regelung zugänglich wären und damit kollektiv erstritten werden könnten.

Einheitliche gewerkschaftliche Position

Der DGB, die GEW und ver.di wurden vom Bundesverfassungsgericht aufgefordert, jeweils eine Stellungnahme zu den anhängigen Streikverfahren (insgesamt vier) abzugeben. Es ist uns gelungen, eine gemeinsame und detaillierte Stellungnahme zu verfassen, die unsere oben genannten Ziele beinhaltet, so dass wir erstmals eine einheitliche gewerkschaftliche Position zum Beamtenstreikrecht haben.

Wir werden sehen, wie weit wir vor dem Bundesverfassungsgericht kommen werden. Sofern wir uns dort nicht durchsetzen, bleibt der Gang zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, der von Beginn an in unserer Prozesstaktik vorgesehen war. Beginnend mit den Beamtenstreiks 2008 in Bremen liegen nunmehr acht Jahre der juristischen Auseinandersetzung hinter uns. Bisher haben wir auf diesem Weg mehr erreicht, als wir anfänglich dachten. Es ist jetzt an der Zeit, die vielfältigen Auswirkungen, die ein Arbeitskampfrecht für Beamte für unsere Organisation bedeutet, in all ihren Auswirkungen sorgsam zu diskutieren.