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Leserbriefe zum Ausschlussantrag gegen Martin Korol

Volker Arnold

Kurz vor einer Reise las ich mit großer Befremdung im Weser Kurier, dass der GEW-Landesvorstand einstimmig beschlossen habe, den Antrag zu stellen, den Kollegen Martin Koroll aus der GEW auszuschließen.
Was ich nun – wieder zurück in Bremen – auf der GEW-Homepage als kurze Begründung lesen kann, steigert meine Befremdung und bringt mich zu der folgenden Reaktion:
»Meine GEW und ich – eine starke Beziehung« – das war und ist ein mir sehr sympathisches Papier von Erwin Jürgensen, das auch auf der Bremer GEW-Homepage zu finden ist.
Zu keinem seiner Punkte gehört,

• dass die GEW Bremen dem Mainstream der Politischen Korrektheit zu folgen hat,
• dass sie einem Gesinnungs-Reinheitsgebot unterliegt,
• dass sie Intoleranz gegenüber problematischen Thesen und Äußerungen von Querköpfen üben soll, dass sie Gesinnungsschnüffelei betreiben muss (einschließlich des Durchforstens von BLZ-Jahrgängen (das müssen dann ja wohl etwa 40 Jg. gewesen sein),
• dass sie gesinnungspolizeiliche Maßnahmen bis zum Entzug der Mitgliedschaft exekutieren muss.

Der einstimmige Ausschlussantrag des LV und die vorangegangenen Gremiendiskussionen und – Beschlüsse in der Sache Korol widersprechen allem, was wir in den 70er und 80er Jahren während der Berufsverbote- und Unvereinbarkeits-Hysterie innergewerkschaftlich praktiziert und gegenüber politischen, staatlichen und behördlichen Stellen vertreten haben.
Wir haben gegen behördliche Gesinnungsschnüffelei und Gesinnungsverfolgung gekämpft…

Wir haben aber auch
• ausgehalten, dass diverse K-Gruppen bis hin zur DKP versuchten, die GEW für Parteizwecke zu instrumentalisieren,
• die aberwitzigsten Beiträge und Interventionen von Kolleginnen und Kollegen ertragen
• geahnt, dass Spitzelberichte über Personen und interne Vorgänge nach Ostberlin geschickt wurden (und haben auch nach 1989 wohlweislich nicht nachgeforscht),
• wir haben dabei die vorübergehende Spaltung der GEW-Bremen riskiert, und nun soll mit dem Gestus politischer und moralischer Überlegenheit und in häschenhafter Angst vor dem Mainstream Politischer Korrektheit gegen Martin Korol vorgegangen werden!?

Wie kann man nur die eigene Geschichte so vergessen!
Das ist nicht mehr meine GEW, für die ich mich 40 Jahre eingesetzt habe.
Volker Arnold
(Zwei Jahrzehnte Vorsitzender der Landesfachgruppe Gymnasien, mehr als drei Jahrzehnte Betriebsgruppensprecher, Landesdelegierter…)

 

Mira Levinson

Mit den Bemühungen um den Ausschluss von Martin Korol setzt die Bremer GEW ein Zeichen. Sie positioniert sich gegen Anti-Ziganismus, Sexismus und Rechtspopulismus. So weit so gut. Für eine Gewerkschaft ist es selbstverständlich geschäftsschädigend, wenn ein prominentes Mitglied in der Öffentlichkeit diffamiert. Ein Ausschluss ist spätestens dann notwendig, wenn das besagte Mitglied trotz berechtigter Kritik uneinsichtig auf seiner Position beharrt.
Sich klar und deutlich gegen Diskriminierung zu positionieren, ist mit eine zentrale Aufgabe von Gewerkschaften. Schließlich bauen diese auf ihrer Funktion als Träger sozialer Verantwortung auf.
Dennoch mag es einige Kolleginnen und Kollegen geben, die beim Lesen dieser Zeilen denken: »Eigentlich hat der Kollege Korol mit seinen Aussagen über Roma doch recht. Schließlich habe ich ähnliches bereits von Bekannten gehört und in der Zeitung gelesen. Mir wurde sogar persönlich über physische Gewalt im Elternhaus berichtet und das von einer Schülerin aus einer Familie der Gruppe X. Soziale Verantwortung übernehmen heißt, als wütender Bürger zu sagen
was angeblich gesagt werden muss gegen den »Mainstream der Political Correctness«. So jedenfalls sieht es Martin Korol. Anstatt selbstkritisch die eigene verletzende und ausgrenzende Haltung zu hinterfragen begibt er sich nun selbst in die Rolle des Opfers. Warum?
Weil er davon ausgeht, dass soziale Konflikte durch die Anwesenheit bestimmter Minderheiten entstehen und eben nicht durch die Normalisierung von Rassismus ((Aus: Anne Broden, Paul Mecheril (Hg.) »Rassismus bildet Bildungswissenschaftliche Beiträge zu Normalisierung und Subjektivierung in der Migrationsgesellschaft «, 2010 transcript Verlag))
Nehmen wir beispielsweise den Satz: »Es muss erstaunen, dass eine so hoch entwickelte Stadt wie Bremen ihre Liebe zu Roma entdeckt, die, sozial und intellektuell, noch im Mittelalter leben«. (www.taz.de/!146523/). Mittelalterlich
ist zunächst erst einmal der Anti-Ziganismus, den Korols Sprachbilder herbei zitieren. Denn seit dem Mittelalter werden Sinti und Roma ebenso wie Juden in Europa zu Fremden erklärt, denen Eigenschaften zugeschrieben werden, welche im eigenen Kulturkreis zugleich tabuisiert und bewundert werden. Hier werden Individuen zu einer homogenen Gruppe minderwertiger Anderer erklärt. Im Gegenzug stilisiert sich der Sprecher selbst als zugehörig zu einer hochwertigen Gruppe, die der»sozialen und intellektuellen Bremer «. Das Gruppen nicht homogen sind und ein Individuum zu mehreren Gruppen zugleich gehören kann, wird verleugnet. Die Abtrennung des Selbst vom Anderen durch gegensätzliche
Zuschreibungen wie »zivilisiert, fortschrittlich und sozial-verantwortlich « (man selbst, der eigene Kulturkreis) und »primitiv, rückwärtsgewandt, und aufklärungsbedürftigen « (der Andere) ist ein zentraler Aspekt von Rassismus.
Korols Sprechakt entlarvt, dass das bürgerliche Selbstverständnis nur zum Teil auf der Befreiung vom mittelalterlichen Feudalismus fußt. Die Vorstellung, dass es eine autonome bürgerliche (deutsche, europäische,
westliche, weiße) Kultur gibt, die sich weiterentwickelt, während andere Kulturen unverändert in vor-modernen Traditionen verharren, ist historisch schlichtweg falsch. Dieses Selbstverständnis ist stark mit kolonialen Denk- und ichtweisen verwoben, welche die Normalität von Rassismus heute prägen. Nehmen wir eine weitere Aussage von Martin Korol gegenüber Roma, »deren Männer keine Hemmungen haben, die Kinder zum Anschaffen, statt in die Schule zu schicken«.
Zunächst suggeriert Korol, dass ihm das Wohl von Roma-Kindern am Herzen liegt. Zugleich führt er die Komplexität der Bildungssituation von Roma lediglich auf inner-familäre bzw. vermeintliche kulturelle Faktoren zurück, während institutionelle und gesellschaftliche Rahmenbedingungen außer Acht gelassen werden, wie beispielsweise die Diskriminierung von Roma in der Bildung. Geht es Korol also tatsächlich um das Wohl der Frauen und Kinder? Oder
wird hier ein Hinweis auf männliche Gewalt gegen Frauen und Kinder genutzt, um Roma-Familien zu minderwertigen Anderen zu machen, während der Sprecher selbst als gebildet, kultiviert und sozial-verantwortlich erscheint. Warum solidarisiert er sich nicht mit den Menschen, um deren Wohl er besorgt zu sein scheint?


Auf seiner Webseite schreibt Martin Korol in der Rubrik »Über mich«: »Für einige meiner Mitschüler an der neuen Schule war ich Korol, der Flüchtling und das Katholikenschwein «. Korol berichtet über Auslandsaufenthalte in Bulgarien, über die Liebe zu Rock ›n‹ Roll (Elvis!), Jazz und Lateinamerikanischen Tänzen und von einer Promotion über den jüdischen Philosophen Ernst Bloch. Anstatt seine Diffamierungen zu revidieren, maskiert er Rassismus und Anti-Ziganismus mit einer Beschreibung seiner persönlichen Erfahrung als Flüchtlingskind und stilisiert sich abermals als Opfer. Auf eine fast unangenehmen aufdringliche Art rechnet er uns sein kulturelles Kapital vor, um abermals seine Zugehörigkeit zum aufgeklärten Bürgertum zu unterstreichen. Rassist sein, wer will das schon? Der Positionierung im rassifizierten Machtverhältnis kann sich niemand entziehen, da sie nicht selbst gewählt ist. Doch mit Hilfe der Rassismuskritik ist es möglich die eigene Position bewusst zu reflektieren und sich davon zu distanzieren. Martin Korol wurde gebeten sich für die GEW und gegen Bürger-in-Wut zu entscheiden. Er bleibt bei den Wutbürgern. Seine Haltung ist eben nicht sozial, kaum intellektuell und schon gar nicht fortschrittlich. Was hat Martin Korol dann also noch in der GEW zu suchen?
Mira Levinson

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BLZ Nov./Dez. 2014

Leserbrief Volker Arnold: Den Leserbrief von Volker kann ich nur unterschreiben. Die moralisierende elbstgerechtigleit, mit der der Landesvorstand einen langjährigen Kollegen verfolgt,hat mich sehr befremdet. Auch ich kann mich noch gut an die zeit erinnern, da wir uns gegen die gesinnungsprüfung nicht nur durch die Schulbehörde sondern auch durch damalige GEW Vorstände gewendet haben. In ähnlicher Weise scheint der heutige Vorstand der Auffassung zu sein, daß di GEW nach der Ausgrenzung des Kollegen Korol durch die SPD nun nicht an Gesinnungsstärke zurückstehen darf.Auf einem anderen Blatt steht die Auseinadersetzung mit den von Korol vertretenen - oder ihm unterstellten - Thesen, die in dem unter Volkers Leserbrief abgedruckten Artikel versucht wird ujnd mit "Die causa Korol" meines Erachtens sinnwidrig betitelt ist. Das Thema Rassismus ist eines, mit dem die GEW sich immer wieder auseinander gesetzt hat und auseinander setzen muß- hierüber weiter zu diskutie
ren, aber ohne Ausschlußdrohung, ist selbstverständlich die Aufgabe einer immerhin Bildungsgewerkschaft.

Name:
Helga Ziegert

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anregend

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