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Kritische Anmerkungen zur Bremer Ganztagsschul-Landschaft

Die Befürworter einer Ganztagsschule für alle Kinder und Jugendlichen führen als Argument meistens den gesellschaftlichen und kulturellen Wandel an. Wie sieht der aus?

Richtig ist, dass viele Kinder in Verhältnissen aufwachsen, die nicht gerade zur Bildung und Erziehung beitragen. Wenn ein Einkommen für eine noch existierende Familie nicht ausreicht, sondern beide Elternteile Vollzeit arbeiten müssen, geht das zu Lasten der Kinder. Viele junge, alleinerziehende Mütter und Väter sind heute nicht in der Lage viel zur Erziehung ihrer Kinder beizutragen. Die Kolleginnen aus Brennpunktschulen können ein Lied davon singen. Hier brauchen die Eltern oft genauso viel Unterstützung wie die Kinder.

Unterstützungssysteme in Bremen sind chronisch unterfinanziert.

Heimeinweisungen haben sich auf tausend Kinder im Jahr verdoppelt. An welcher Schule, wo es nötig wäre, gibt es noch ausreichend Sozialpädagogen oder Psychologen? Diese hat man zuerst zentralisiert, jetzt geht es Rebuz-mäßig wieder etwas dezentraler zu. Die Ansprüche an Schule sind enorm gewachsen, nicht zuletzt weil viele mit dem Erziehungsauftrag überfordert sind. Die Schule soll es dann richten. Eine schlecht ausgestattete Ganztagsschule ist nichts weiter als eine Aufbewahrung für Kinder, die nicht Mittags nach Hause gehen können. Und längere Schulzeit = Höhere Bildung, diese Rechnung geht so nicht auf. Berlin hat gerade den Bildungsbericht über die letzten zwei Jahre veröffentlicht. Es gibt keine Verbesserungen, obwohl die Anzahl von Ganztagsschulen sehr gewachsen ist.

Wie sähe denn eine Vision aus, die kindgerecht wäre?

Kinder verbringen neben der Schulzeit viel Zeit mit ihren Eltern, den eigentlichen Bezugspersonen. Und nicht nur am Wochenende. Man isst auch gemeinsam zu Mittag. Die Kinder teilen ihre Freizeit mit MitschülerInnen und FreundInnen, sie haben Zeit und Geld für ihre Hobbies. Hobbies sind nicht nur Computer, Handy und Playstation. Die Schule sorgt für ausreichende, ganzheitliche Bildung mit viel Sport, Kunst, Kreativität, Projekten und Wissen, weil sie von gut bezahlten, gut ausgebildeten Lehrkräften angeleitet wird. Die Jugendlichen erhalten einen Ausbildungsplatz. Ich behaupte, dass dies reichen würde, um eine Gesellschaft bildungspolitisch akzeptabel zu gestalten. Dann müsste ich nicht drängen, dass mein Kind bis 16 Uhr in der Schule ist, im Winter ist es dann schon dunkel, ein extrem langer Tag, fast wie ein Arbeitstag, trotz Pausen. Fast immer verbracht in größeren Gruppen. Da gibt es Schöneres für Kinder. Oder was ist gemeint mit kulturellem Wandel? Nichts Positives, oder ? Es müsste nicht in Schule gesponsertes Mittagessen von Herrn Böhrnsen und Frau Linnert geben. Der Tag müsste nicht pädagogisch seziert werden, um noch mehr in die Kinder hinein geben zu müssen.

Insofern ist der angeführte „gesellschaftliche und kulturelle Wandel“ durchaus kritisch bewerten.
Dieser Wandel hat zu einer enormen Belastung von Kitas und Schulen geführt, die diese aufgrund ihrer räumlichen, materiellen und besonders personellen Ausstattung nicht leisten können. Dass sie dies trotzdem versuchen, kann man nicht hoch genug würdigen. Resultat ist aber auch oft die Reduzierung der Arbeitsstunden oder der Burn Out. Irgendetwas muss ja schief gelaufen sein, sonst gäbe es nicht die sich in den letzten Jahren häufenden und sich dramatisierenden Fälle, Berichte, Entwicklungen im Bereich Soziales und Schule. Seit Jahren steigt die Armut an, die Entfernung zur Bildung auch, die Reichen werden reicher.
Ich bin leider eher pessimistisch: Im Rahmen der fatalen Schuldenbremse für Bremen wird auch das Geld für Ganztagsschulen,welches überwiegend aus Konjunkturpaketen stammte, knapper werden. Auch das „Teilhabepaket“ für HartzIV-Empfänger wird ein Tropfen auf den heissen Stein werden und bedeutet wieder Mehrarbeit für die Schulen.

Fazit:

Diejenigen, die sich gute Bildung mit gutem Geld leisten können, werden auch in Zukunft Schulen finden, die aus ihren Kindern das macht was Eltern gerne sehen möchten. In größter Not auch in Privatschulen. Und bis dahin kann eine Vielfalt im Angebot von Schulen, Verlässliche, Verlässliche Plus, Betreuungsschule und Ganztagsschulen, nicht schaden. Flächendeckende Einführung von Ganztagsschulen wie in Berlin, dann auch noch schlecht ausgestattet ist keine Lösung.
Gebraucht wird allerdings eine völlig andere Ausgabenpolitik und eine Einnahmensteigerung, die der Bildung und den Schulen nützen muss.
Geld scheint doch da zu sein, siehe Banken- und Eurostabilisierung.

Kontakt
Karsten Krüger
Schriftleiter des Bildungsmagaz!ns
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