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Kinderwelten sind Medienwelten

Schon immer haben Medien im Leben von Kindern eine wichtige Rolle gespielt. Früher waren es (Bilder-) Bücher - wer kannte nicht Struwwelpeter oder Lurchie, dann Hörfunk und Fernsehen: von Furie und Lassie bis zu KikA und TOGGO (ARD / ZDF bzw. SuperRTL). Es folgten Kassettenrecorder mit Benjamin Blümchen & Co und DVD-Player. Heute sind es Computer- von PC bis Tablet und Smartphone - und Internet, die Kinder fesseln – und das in immer früherem Alter. Seiten wie Spieleaffe, dazu Youtube oder die Seiten von Fernsehsendern sind bei Kindern bekannt und beliebt.

Aus der Geschichte lernen

Schon immer sind neue Entwicklungen argwöhnisch beäugt und mit negativen Begleiterscheinungen assoziiert worden: verdirbt die Augen oder die guten Sitten, führt zu Verdummung oder Gewalt, Kinder lernen nicht mehr lesen und schreiben. Comics waren heiß diskutiert, Mickey Mouse zwischen Verbot und Analyse im Deutschunterricht, der Beatclub zu wild, die Musikerhaare zu lang, Bonanza zu gewalttätig und selbst die Sesamstraße wurde in ihren Anfängen vor 40 Jahren von Bayrischen Erziehungswissenschaftlern angefeindet.

Und immer hat sich bald herausgestellt, dass es eine Frage des Wie und Wozu und der Begleitumstände ist und dass die neuen Möglichkeiten auch jede Menge Chancen bieten. Verweigerung hat in der Regel zu Stillstand und Ausschluss von Entwicklungen geführt. Verbote werden umgangen, sobald sich eine Gelegenheit bietet.

 

Computer in der Grundschule – na klar!

Mit Beginn der Computernutzung jenseits des Informatikunterrichts Ende der 1980er-, Anfang der 1990er-Jahre galt zunächst weit verbreitet die Ansicht, dass Computer in der Grundschule nichts zu suchen haben. Das hat schon damals nicht alle überzeugt und gehört längst der Vergangenheit an. Nicht erst seit heute werden Erzieher_innen qualifiziert, um in Kitas mit den Kindern am Computer die Welt zu entdecken. Software on- und offline, die Spielen und Lernen verbindet und viele kreative Anwendungen bietet, fördert Lern- und Entwicklungschancen. Es muss hier wohl nicht betont werden, dass Erlebnisse ohne Computer und Internet keinesfalls vernachlässigt werden, dass Natur erleben, Spielen, Toben, Malen, Basteln mit Schere und Kleber usw. nicht durch digitale Erfahrungen zu ersetzen sind.

In den letzten Monaten steht die Verbreitung von Smartphones bei Jugendlichen im Focus – beginnend mit statistischen Angaben für 6jährige. Auch – bislang wenige - Grundschulkinder sind per Smartphone mit WhatsApp unterwegs, ganztags online und in Kontakt mit der Welt – die Reaktionen schwanken zwischen Ungläubigkeit („meine Kinder doch nicht“) oder Verbot einerseits und Überlegungen für Nutzungschancen zum sinnvollen Spielen und Lernen andererseits.
Was bedeutet es für Bildung und Erziehung, für Schule und Unterricht, wenn sich Kinder alleine, unbeaufsichtigt im Netz bewegen? Wie kann Schule Kinder stärken, die neuen Möglichkeiten zu nutzen und Risiken zu meiden?

 

Ein paar Zahlen

Inzwischen sind alle Grundschulen mit Computern (meistens nicht genügend und nicht flexibel genug) und entsprechender Software ausgestattet, die mehr oder weniger intensiv genutzt werden. Die außerschulische Nutzung digitaler Medien von Kindern und Jugendlichen liegt weit höher, wie verschiedene aktuelle Studien zeigen:
82 Prozent der 6- bis 13-Jährigen verfügen über Computererfahrungen. Bei den 10- bis 13-Jährigen sind es sogar 97 Prozent. Von den Sechs- bis Neunjährigen nutzt inzwischen rund die Hälfte das Internet (Quelle: "KidsVerbraucherAnalyse", Egmont Ehapa Verlag, bei ZDF heute.de 7.11.2014)

„Smartphone und Internet gehören für Kinder zum Alltag“ betitelt die BITKOM ihre Umfrageergebnisse ( BITKOM-Studie Jugend 3.0, 2014). Die Studie zeigt, dass sich kleinere Kinder dem Internet über die Mediennutzung nähern. Gut die Hälfte (56 Prozent) der sechs- bis siebenjährigen Internetnutzer spielt online. Fast genauso viele (55 Prozent) schauen Videos im Internet. Nach den Ergebnissen der Umfrage nutzen ein Fünftel der Sechs- bis Siebenjährigen Smartphones. Im Alter von 12 bis 13 Jahren gehören Smartphones mit einer Verbreitung von 85 Prozent zur Standardausstattung.

Auch wenn die BITKOM ein Verband ist, der mehr als 2.200 Unternehmen der digitalen Wirtschaft vertritt und sicherlich ein Interesse daran hat, Verkauf und Nutzung digitaler Endgeräte zu forcieren, sprechen die Zahlen für sich und stimmen mit den Beobachtungen in vielen unserer Schulen überein.

Drittklässler nutzen Facebook (wenige!), erste Fälle von Cybermobbing sind aus Grundschulen bekannt geworden. Trotz zunehmender früher Computernutzung können viele laut eigener Einschätzung nur schlecht mit Computern umgehen: Gut jeder Vierte (28 Prozent) der 14- bis 29-jährigen schätzt seine Kenntnisse gering ein (BITKOM, 13.11.2014) – höchste Zeit, sich der Themen rund um die Nutzung digitaler Medien in der Grundschule ausführlicher anzunehmen.

 

Der Bildungsplan Medienbildung

Dass alle Unterrichtsfächer und Lernfelder dazu beitragen können, beweist der neue Bildungsplan Medienbildung. Er zeigt vielfältige Handlungsmöglichkeiten auf und liefert mit seinen Handreichungen wie z.B. zum Lernen durch Fotografieren oder durch Trickfilmproduktion detaillierte, erprobte Anleitungen zur Umsetzung.

 

Begleiteter Einstieg

Jüngere Kinder benötigen geschützte Räume, kindgerechte Angebote und die Begleitung Erwachsener: gemeinsam Seiten aufsuchen, gemeinsam spielen, Erfahrungen thematisieren. Mit zunehmenden Kenntnissen (Umgang mit persönlichen Daten, Urheberrecht, Downloads, Online-Käufe uvam.) und wachsendem Einschätzungsvermögen können Kinder digitale Medien zunehmend selbstständig nutzen.

Ein Projekt, das sich in besonderem Maße als geeignet erwiesen hat, Medienkompetenz auf breiter Basis zu vermitteln, ist die „ausgezeichnete Internet-abc-Schule“.

 

Umfangreiches, kostenloses Material für alle

Der von den Landesmedienanstalten getragene Verein bietet Internetseiten mit kindgerechtem Material, ergänzt durch eine Internetseite für Pädagogen und Eltern. Dazu gehört außerdem ein Handbuch mit Aufgaben, Arbeitsbögen und Hintergrundinformationen. Alle diese Angebote gibt es kostenlos für Grundschulen, die sich am Projekt beteiligen. Diejenigen Schulen, die das Leitbild des Projektes mit Leben erfüllen, werden mit einem Qualitätssiegel ausgezeichnet, das in diesem Jahr in feierlichem Rahmen von Bildungssenatorin Prof. Eva Quante-Brandt überreicht wurde.
Die kompetente Nutzung digitaler Medien ist nicht nur für Einstellungschancen und Berufsleben von Bedeutung, sondern mindestens ebenso wichtig für selbstbestimmten, kritischen und verantwortungsbewussten Umgang mit digitalen Medien im privaten, gesellschaftlichen und politischen Leben. Informationsbeschaffung, Umgang mit persönlichen Daten, Rechtsfragen – nur, wer sich auskennt, kann bewusst Entscheidungen treffen. Dies erfordert neben dem Lernen mit Medien auch ein Lernen über Medien. Das leistet das Projekt „ausgezeichnete Internet-abc-Schule“ auf hervorragend Weise.
Inzwischen nehmen 30 Prozent der Bremer Grundschulen am Internet-abc teil.
Weitere Schulen sind herzlich willkommen!

 

 

Quellen


Autorin

  • Inge Voigt-Köhler war lange Lehrerin und arbeitet seit den 1980er Jahren in der Medien-Beratung für Lehrkräfte und Schulen: Landesinstitut für Schule - Zentrum für Medien,
  • www.lis.bremen.de/info/medien,
    ivoigt [at] lis.bremen.de
Kontakt
Karsten Krüger
Schriftleiter des Bildungsmagaz!ns
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