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Gut in Mathe – schlecht in Deutsch

Unter dem Motto „Gut in Mathe – schlecht in Deutsch? Schaffe ich die Schule oder schafft die Schule mich? Kinder und Jugendliche aus Migrantenfamilien in Bremen“ veranstaltete AGIL (Arbeitsgruppe Interkulturelles Lernen) am 31.3. 2011 im DGB-Haus eine Podiumsdiskussion mit VertreterInnen der CDU, der FDP, der Grünen, der Linken und der SPD.

Hauptanliegen von AGIL war es, im Rahmen dieser Veranstaltung den Stand der Sprachförderung für Kinder und Jugendliche mit Migrationsgeschichte (MG) in der Zweit- und der Mutter-, bzw. Herkunftssprache kritisch zu beleuchten. Obwohl in Bremen inzwischen deutliche Anstrengungen zur Förderung der Sprachbildung unternommen werden (Ausbildung von SprachberaterInnen, Sprachstandsdiagnose und Sprachförderung im Elementar- und Primarbereich), gibt es nach Ansicht von AGIL eine deutliche Diskrepanz zwischen den Ausgaben für Sprachförderung (laut M. Güngör 3,6 Mill. Euro) und der tatsächlich in den Schulen sichtbaren gezielten Förderung.
Die Zahlen der Verteilung der AbsolventInnen an öffentlichen Schulen im Jahre 2009 zeigen ein deutliches Missverhältnis zwischen SchülerInnen mit und ohne MG und deuten auf eine offensichtlich strukturelle Benachteiligung der Gruppe mit MG. Trotz der inzwischen von der Senatorin für Bildung und Wissenschaft vertretenen Linie von sprachsensiblem Unterricht in allen Fächern, die auch von AGIL geteilt wird, sehen ihre VertreterInnen ein Problem in der konkreten Umsetzung innerhalb der nächsten ein bis zwei Legislaturperioden: Die dafür nötige Kompetenz ist an den Schulen noch lange nicht vorhanden. Auch die Lehrerausbildung am Landesinstitut für Schule und an der Universität steckt bezogen auf den Aspekt „Sprache in allen Fächern“ erst am Anfang. Erst wenige KollegInnen an den Schulen seien in der Lage und willens, dieses Konzept umzusetzen.

Die SchülerInnen, die heute in der Schule sind, können realistischerweise nur in ganz begrenztem Maße von dieser Veränderung profitieren und brauchen jetzt für ihren Schulerfolg unbedingt zusätzliche Sprachförderung in allen Schulstufen, auch in der Berufsbildung – und diese von dafür qualifizierten LehrerInnen. Kritisiert wurde im Zusammenhang mit dem SprachberaterInnenprogramm, dass für die sich daraus ergebenden Fördermaßnahmen die entsprechend notwendigen Qualifikationen und Ressourcen nicht zur Verfügung stehen. Die seit einigen Jahren praktizierte Zuweisung von Stunden über den Sozialindex führt nicht automatisch zu mehr gezielter Sprachförderung. Am Beispiel einer Grundschule wurde anschaulich vorgeführt, dass die tatsächlich für Sprachförderung zur Verfügung stehenden Stunden von Jahr zu Jahr in erheblichem Maße abgenommen haben. Unzufriedenheit wurde geäußert bezüglich eines fehlenden Rahmenkonzepts zur Sprachförderung und Sprachbildung (im Gegensatz z.B. zu Hamburg).
AGIL befürchtet besonders negative Auswirkungen für die Zweitsprachenentwicklung im Zusammenhang mit der inklusiven Schulentwicklung – auch hier fehlt ein Konzept, das die gezielte Zweit- und Muttersprachenentwicklung von Kindern mit MG sichert. Bedauert wurde zudem die unzulängliche Zusammenarbeit verschiedener senatorischer Ressorts (Sprachtests und Sprachförderung im vorschulischen Bereich und beim Übergang in die Primarstufe).
Des Weiteren wies AGIL darauf hin, welche Bedeutung Herkunftssprachen für den Lernerfolg von Kindern und Jugendlichen mit MG haben und wie wichtig die Aus-bildung und Einstellung von SozialpädagogInnen und LehrerInnen mit MG ist. Am Beispiel von „Farq“ wurde klar, wie erfolgreich SchülerInnen mit MG sein können bei entsprechender Beratung und Förderung. Der Abiturient Burak Bahar berichtete, dass er es wesentlich der intensiven Förderung und dem individuellen Einsatz engagierter LehrerInnen der GSO verdanke, den Übergang von der Sek. I und hin zur Abiturprüfung geschafft zu haben.
Das sehr zahlreich erschienene Publikum verfolgte unter lebhafter Anteilnahme die Beiträge der KollegInnen und der Politiker, die sich in einer Antwortrunde den Fragen der Moderatorin Frau Dr. S. Uzuner und des Publikums stellten. Auch hier galt das Augenmerk vornehmlich der demografischen Entwicklung in den Kitas und Schulen, dem Abschneiden Bremens bei den Pisa-Untersuchungen, dem Mangel an qualifizierten ErzieherInnen und LehrerInnen mit und ohne MG und den drohenden Schwierigkeiten, wenn gemäß dem Schulgesetz die Inklusion umgesetzt werden soll ohne entsprechende Konzepte und Ressourcen. Deutlich wurde auch, dass nicht nur AGIL unter der mangelnden Informationspolitik der Behörde der SfBW leidet, sondern auch KollegInnen, deren Schreiben an die Behörde oft unbeantwortet blieben.
Es war vermutlich nicht nur der nahenden Bürgerschaftswahl, sondern auch einem merklich gewachsenen Bewusstsein für die drängenden Probleme zu verdanken, dass sich A. Stahmann vom „Bündnis 90-Die Grünen“, M. Güngör von der SPD, K. Vogt von der Linken, Dr. O. Yazıcı von der CDU und Dr. M. Buhlert von der FDP – bei Abweichungen in der Wertung - aufs Ganze gesehen in Folgendem einig waren: der Unterricht in Herkunftssprachen und in Deutsch als Zweitsprache und andere notwenige Förderung müssen dringend erweitert und schon von der Vorschulzeit bis zur Berufsausbildung angeboten werden für alle Kinder und Jugendlichen, die ihn benötigen. Auch die Elternschaft, inbesondere die mit MG, muss durch vertrauenerweckende gezielte Ansprache für Elternbildung und sprachliche Fortbildung gewonnen werden. Ferner muss in der nächsten Legislaturperiode eine sehr deutliche Erhöhung und viel stärker zweckgebundene und kontrollierte Verwendung der Gelder für den Sprachen-, Förder- und Inklusiven Unterricht durchgesetzt werden.
Wir von AGIL würden uns freuen, wenn unsere Veranstaltung dazu beigetragen hätte, diese Ziele in der allernächsten Zukunft umzusetzen.

Kontakt
Karsten Krüger
Schriftleiter des Bildungsmagaz!ns
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