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Die Lehren aus der Finanzmarktkrise:

Im Februar 2012 ist mein Buch „Zerschlagt die Banken“ erschienen. Darin werden die Ursachen des weltweiten Beinahzusammenbruchs auf den deregulierten, profitwirtschaftlichen Finanzmärkten identifiziert. Kritische Parteien, insbesondere Protestbewegungen wie Occupy haben Vorschläge für ein dienendes Bankensystem und zivilisierte Finanzmärkte vorangetrieben. Wo stehen wir heute? Sind Lehren begriffen worden? Hat die Politik die demokratische Kraft aufgebraucht, diesen entfesselten Kapitalismus aufzulösen oder obsiegen am Ende rund erneuerten Finanzmarktoligarchen?

Ein Rückblick auf 2008

Vor bald fünf Jahren ist die schwerste Finanzmarktkrise seit der Weltwirtschaftskrise nach 1928 ausgebrochen. Einem Tsunami vergleichbar entlud sich mit dem Zusammenbruch von Banken, vor allem der Investmentbank Lehmann Brothers, am 17. September 2008 eine lang angelegte Krise auf den Finanzmärkten. Wenige Wochen später, am 5. Oktober, war die drohende Vertrauenskrise in das deutsche Bankensystem so groß, dass die Bundesregierung zusammen mit Experten von der Sorge getrieben wurde, am darauffolgenden Montag müssten Bankfeiertage durchgesetzt werden. Deshalb erklärten die Bundeskanzlerin Angela Merkel und der damalige Bundesfinanzminister Peer Steinbrück vor laufenden Kameras, alle Einlagen bei den Banken würden durch den Staat gesichert. Entscheidend war am Ende nicht die Höhe von über zwei Billionen Euro, sondern die Tatsache, dass die vertrauensbildende Maßnahme erfolgreich wirkte. In der ersten Hälfte 2009 schlug die weltweite Finanzmarktkrise auch voll auf die deutsche Wirtschaft durch. Die gesamtwirtschaftliche Produktion brach um fünf Prozent ein. Die mit aktiver Konjunkturpolitik und Kurzarbeitergeld schnelle Überwindung dieses ökonomischen Absturzes hat den Irrtum genährt, die Finanzmärkte und vor allem die Banken mit ihrem gefährlichen spekulativen Investmentbanking seien ein für allemal gebändigt. Im Gegenteil, es drohen neue Gefahren etwa über die Schattenbanken.

Die Ursachen

Wer Lehren ziehen will, der muss die Ursachen kennen.
Im Mittelpunkt steht ein bereits seit Anfang der 1990er Jahre beobachtbarer Wandel: Durchgesetzt hat sich die Etappe des finanzmarktgetriebenen Kapitalismus. Die ökonomische Wertschöpfung in den Betrieben hat gegenüber spekulativen Geschäften an den Spieltischen des internationalen Kasinokapitalismus an Bedeutung verloren. Viel zu hohen Renditeerwartungen aus Finanzmarktgeschäften gewannen die Oberhand über die der Produktionswirtschaft dienenden Bankenfunktionen. Zur Suche nach rentablen Anlagen sind abenteuerliche, neue Finanzinstrumente kreiert worden. Im Vordergrund stehen die Derivate, die nur noch der reinen Spekulation dienen. Zur Unterscheidung von guten und schlechten Spekulationsgeschäften ein Beispiel: Wenn sich ein sächsisches Unternehmen, das in Dollar bezahlen muss, bei seiner Bank gegen das Devisenänderungsrisiko absichert, dann dient dies dem Unternehmenszweck. Im letzten Jahr sind jedoch an einem Tag Devisenspekulationsgeschäfte im Umfang von knapp 5 Bio. US $ weltweit getätigt worden. Während 4-5% auf dienende Geschäfte zurückgehen, ist der Großteil der Umsätze Ergebnis reiner Spekulationsgeschäfte. Diese erhöhen die Instabilität des Systems. Die vielen spekulativen Finanzinstrumente gleichen einem Finanzalchemismus nach dem Motto, golden angemalte Steine seien auch echtes Gold. Strukturierte Wertpapiere auf der Basis von Immobilienhpyotheken, Zertifikate als Wetten, Leerverkäufe, Kreditausfallversicherungen, hoch riskante Zinswetten sowie der spekulative Handel mit agrarischen Produkten gehören dazu. Angeheizt wurde die Finanzmarktkrise durch die großen Ratinginstitute. Die sollen eigentlich seriöse Informationen über die Risiken und mangelnde Werthaltigkeit dieser mehrfach verpackten Finanzmarktprodukte liefern. Getreu der die Aufträge erteilenden Bank oder des Hedgefonds sind die Urteile jedoch gegen hohe Gebühr schlichtweg geschönt worden.

Der Schock wirkte nur kurz

Die Bekenntnisse zu einer grundlegenden Neuordnung des Bankensektors und der Bändigung der Finanzmärkte waren unter dem Schock der Finanzmarktkrise groß. Auch die G 20-Gruppe und die Bundesregierung fanden klare Worte. Fünf Jahre nach dem Ausbruch der Finanzmarktkrise mit massiven Belastungen der Banken, der Produktionswirtschaft sowie der Staatshaushalte infolge der Finanzierung von Rettungsprogrammen fällt die Bilanz der ordnenden Regulierungen widersprüchlich aus. Mehrere gesetzgeberische Maßnahmen zur Reduktion des Risikopotenzials der von der realen Wirtschaft relativ entkoppelten Spekulationsgeschäfte sind beispielsweise in den USA, der EU und auch in Deutschland umgesetzt worden. Weitere Maßnahmen sind im Entscheidungsprozess. Allerdings zeigt sich, dass trotz einzelner wichtiger Instrumente die Systemrisiken durch aufgeblähte Spekulationsgeschäfte bisher nicht systemisch wirksam reduziert worden sind. Die Gefahr einer neuen Finanzmarktkrise ist bei weitem nicht gebannt. Es fehlt an einem ordnungspolitisch mutigen Zielmodell zugunsten eines der Wirtschaft und Gesellschaft dienenden Bankensystems.

Neue Schlupflöcher

Auch reagieren die zu disziplinierenden Akteure auf ge¬setzliche Teilregulierungen durch die Suche bzw. Schaffung neuer Schlupflöcher. Zudem setzt die Finanzmarkt-Lobby ihre Macht ein, von Anfang an geplante Gesetzesvorhaben deutlich zu verwässern. Dafür steht beispielhaft in den USA das Verbot des Handels mit Finanzmarktinstrumenten für Banken auf eigene Rechnung, also ohne Kundenauftrag. Die Volker-Regel (benannt nach dem früheren Präsidenten der US-Notenbank und dem Berater von Barack Obama) wird mit vielen Tricks umgangen.
Dabei bedroht derzeit eine besonders aggressive Form der Flucht aus der Regulierung die Neuordnung der Finanzmärkte. Im Zentrum steht die Verlagerung von bankenähnlichen Funktionen in Schattenbanken. Auch bisher gescheiterte Investmentbanker weichen auf die Gründung von Hedegefonds beispielsweise in Hongkong aus. Das durch die Schat¬tenbanken bewegte Volumen, deren Akteure insbesondere die Kredit-, Geldmarkt- und Hedgefonds sind, hat sich nach Berechnungen des „Financial Stability Board“, der Antikri¬seneinheit der Notenbanken, seit 2003 auf 67 Billionen US $ verdoppelt. Das Volumen dieser äußerst dunklen Seite des Finanzkapitals beläuft sich nach groben Schätzungen mittlerweile auf die Hälfte des lizenzierten Banken¬sektors. Durch die Verbandelung vor allem über die Kreditbeziehungen würde ein Zu¬sammenbruch der Schattenbanken das gesamte System der Banken in den Abgrund reißen und die Finanzmärkte destabilisieren. Hier gibt es dringenden Handlungsbedarf. Es dürfen nur Banken, die dem Regelsystem unterliegen, zugelassen werden.

Grundlinien zur Zerschlagung der Banken

Die Finanzmarktkrisen müssen Gegenstand einer Ordnungspolitik werden. Darauf hat bereits 1776 Adam Smith hingewiesen. Gesetzliche Regelungen bilden „die Brandmauer, um das Übergreifen von Feuer zu verhindern“. Denn es war die Deregulierungskampagne zur Entfesselung der Finanzmärkte, die am 27. Oktober 1986 durch Maggy Thatcher mit dem „Big Bang“ am Londoner Finanzplatz erstmals ausgelöst wurde. Banken dürfen nie mehr so groß sein, dass sie mit ihrem Zusammenbruch das gesamte System bedrohen und am Ende durch Staaten gerettet werden müssen. Zerschlagung heißt, das normale Einlagen- und Kreditgeschäft muss gegenüber der Produktion und dem Handel mit abgetrennten, rein spekulativen Instrumenten zuerst abgeschirmt und schließlich selbst reguliert werden. Gebraucht wird die Boringbank, das stinklangweilige, aber dienende Finanzinstitut.
Auf der Basis der Vorschläge aus den USA und der Expertenkommission in England und der EU-Kommission werden folgende Grundlinien zur Zerschlagung der Banken vorgeschlagen:

  • Alle Handelsgeschäfte, ob im Auftrag von Kunden oder auf eigene Rechnung der Ban¬ken, werden den Kredit- und Einlagenbanken entzogen. Davon betroffen sind auch die Geschäfte zur Marktpflege für Kunden, die stark spekulativ eingesetzt werden. Dadurch werden auch hoch riskante Derivategeschäfte mit Kunden im Bereich des „Com¬mercial Bankings“ verhindert.
  • Alle den Kredit-und Einlageinstituten verbotenen Handelsgeschäfte können in ein öko¬nomisch selbständiges Unternehmen („Finanzhandelshaus“) ausgegliedert werden.
  • Unter dem Dach einer Holding lassen sich die beiden Unternehmensbereiche zusammenfassen. Dabei ist eine eigene Risikoabsicherung durch Eigenkapital des Finanzhandelshauses erforderlich. Ein Rückgriff auf Erträge im Kredit-und Einlagen-Unternehmen ist nicht zulässig.
    Der Vorschlag der Bankenspaltung wird durch folgende Maßnahmen flankiert:
  • Bei den Banken sind in Form spezifischer Anleihen zusätzliche Risikopuffer zu schaffen. Auf diese wird im Fall von Verlusten zur Entlastung staatlicher Rettungsmaßnahmen zurückgegriffen.
  • Die zum spekulativen Handel eingesetzten Finanzinstrumente sind auch durch Ge- und Verbote zu entschärfen.

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