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Der Wassertraeger der Waffenexportkanzlerin

Deutschland ist seit Jahren nach den Erhebungen des Stockholmer Friedensforschungsinstitutes (SIPRI) unangefochten auf dem dritten Platz der Weltrangliste der Rüstungsexport-Nationen. Deutschland liegt nur hinter den USA und Russland. Eine zutiefst beschämende Tatsache besonders vor dem Hintergrund, dass sich bisher alle bundesdeutschen Regierungen - gleich welcher Koalition - eine restriktive Rüstungsexportpolitik auf ihre Fahnen geschrieben haben. Dabei sind seit Jahren in Umfragen über dreiviertel aller Befragten in Deutschland gegen Rüstungsexporte. Nach einer neuen Umfrage der Körber Stiftung sind nur 13% dafür.

Rüstungsexporte, das sind nicht nur Panzer, Kriegsschiffe, Flugzeuge, Gewehre, Pistolen, Torpedos, sondern auch ganze Munitionsfabriken. Schiffsmotoren für Kriegsschiffe hingegen gelten als zivile Güter, die nicht genehmigungspflichtig sind. Oberstes Entscheidungsgremium ist der Bundessicherheitsrat (BSR), ein Ausschuss auf Ministerebene unter dem Vorsitz der Bundeskanzlerin Angela Merkel und ohne parlamentarische Kontrolle, also ein Geheimausschuss, unwürdig für demokratische Gesellschaften. Weder die Sitzungsdaten, noch die Protokolle, noch die Geschäftsordnung sind öffentlich zugänglich. Rüstungsexporte sind eines der wenigen Politikbereiche, in denen die Regierungen Außen-, Wirtschafts- und Verteidigungspolitik national gestalten können und dies, ohne die Öffentlichkeit in die Karten gucken zu lassen.

 

Der SPD-Chef hat ein Problem

Federführend für die Rüstungsexporte ist das Wirtschaftsministerium, also derzeit Minister Sigmar Gabriel. Dumm nur, dass er in der vergangenen Legislaturperiode in der Opposition saß und im Wahlkampf mehr Transparenz und eine restriktivere Rüstungsexportpolitik versprochen hat. Nun hat er ein Problem. Einerseits hat die schwarz-gelbe Vorgängerregierung mit dem liberalen Wirtschaftsminister Rößler und Außenminister Westerwelle eine marktoffenere Politik gefördert und Merkel hat dazu faktisch eine Doktrin zur „Ertüchtigung von Partnern mit Rüstungslieferungen“ umgesetzt. Nie wurden vorher Panzer außerhalb von NATO und EU in sogenannte Drittstaaten genehmigt. Kriegswaffenlieferungen in Spannungsgebiete waren ein Tabu.
Aber schon Franz-Josef Strauß propagierte einst, doch Rüstung dahin zu liefern, wo sie gebraucht wird. Diese Haltung taucht nunmehr wieder in CDU/CSU-Kreisen auf. So kürzlich in der Bundestagsdebatte um Rüstungsexporte als der wirtschaftspolitische Sprecher der CDU Joachim Pfeiffer die Rüstungsexporte verteidigte: „ Rüstungsexporte sind ein legitimes, sinnvolles und notwendiges Instrument der Außen- und Sicherheitspolitik“ (Weserkurier, 23.05.14 ).
Die beiden christlichen Kirchen fordern von der schwarz-roten Regierungskoalition eine Wende in der Rüstungsexportpolitik und die Kampagne gegen Rüstungsexporte fordert eine strikte Rücknahme der Exportgenehmigungen der letzten Bundesregierung. Doch Regierungssprecher Steffen Seibert verneinte Mitte Juni ausdrücklich, dass die Bundesregierung einen restriktiveren Kurs fahren wird.
So wurden 2013 zwar Rüstungsexportanträge in Höhe 10 Millionen € abgelehnt, aber gleichzeitig für 5,8 Milliarden € Rüstungsgüter genehmigt. Der Wirtschaftsminister muss nun dringend etwas tun, um seine Glaubwürdigkeit und die seiner Partei nicht gänzlich ad absurdum zu führen. Und so schiebt er erst einmal die aktuell bekanntgegebenen Rüstungsexportgenehmigungen in den Verantwortungsbereich der vorhergehenden Bundesregierung.

 

Es muss eine Wende geben

Das Argument der Nicht-Zuständigkeit von Gabriel stimmt nur sehr bedingt. Es bleibt im Dunkeln, ob es sich dabei tatsächlich noch um Genehmigungen der Vorgängerregierung handelt, oder ob wie vermutet werden kann, zumindest Voranfragen der exportinteressierten Unternehmen dabei sind, die nicht bindend sein sollen. Laut einer Anfrage der Linken erteilte Gabriel in den ersten vier Monaten 2014 Exportgenehmigungen in Drittstaaten in Höhe von 650 Millionen Euro, was 20 Prozent mehr sind als im Vorjahr, eindeutig keine restriktive Rüstungsexportpolitik. Es muss eine Wende geben.
Im Vorwort zum neusten Rüstungsexportbericht der Bundesregierung schreibt Gabriel, Rüstungsexporte seien keine Wirtschaftspolitik, sondern fielen unter Sicherheitspolitik. Und was bedeutet das? Wird der Bereich der Rüstungsexporte vom Wirtschaftsministerium ins Auswärtige Amt abgegeben? Ist das nur Rhetorik zur Ablenkung? Oder ist das Kanzleramt heute schon entscheidend? Ein einziger Testpanzer an den NATO-Partner Türkei hat 1998 in der damaligen rot-grünen Bundesregierung eine Koalitionskrise ausgelöst - und heute nichts dergleichen? Welche Absprachen werden der Öffentlichkeit verschwiegen?
Sichtbare nachvollziehbare Rüstungsexportentscheidungen sind das Gebot der Stunde! Keine Rüstungsexporte würden dem Standort Deutschland besser anstehen, als Waffenlieferungen in Kriegs- und Krisengebiete, deren Opfer gezwungen werden, ihr Land zu verlassen!

Der ungekürzte Text ist als Download beigelegt.

 

Die Autorin

Andrea Kolling, Vorsitzende der Bremischen Stiftung für Rüstungskonversion und Friedensforschung